KRITIKEN: CARLOS DER SCHUHPUTZER

Subversiv: Rootslöffel-Premiere

„CARLOS DER SCHUHPUTZER“

Mit dem sozialkritischen Stück „Carlos der Schuhputzer“ feierte die erste Eigenproduktion
der neuen Spielzeit im Theater Rootslöffel Premiere. 

Spritzig am Ball und schaurig im Gesang: Frizz Lechner, der für sein subversives Solo großen Beifall erhielt. Ein guter Schuhputzer muss immer auch ein guter Entertainer sein, um Passanten anzulocken. Carlos versteht sein Handwerk: Er animiert das Publikum zur La-Ola-Welle, erzählt Geschichten aus seinem bewegten Leben und hat immer ein schräges Lied auf den Lippen.

Zudem sorgt sein selbst gebastelter Schuhputzwagen für Aufsehen: Ein bunt beklebtes Ungetüm aus Pappe samt Fernseher und DVD-Player, der abwechselnd fröhliche Musik und Fußballspiele präsentiert. Die erste Kundin lässt nicht lange auf sich warten: Zuschauerin Christina erklettert den Schuhputz-Thron und lässt sich etwas irritiert Biosaft reichen, während Carlos munter plaudernd sein Handwerk verrichtet. Das war nicht immer so, denn der gebürtige Brasilianer Carlos wäre viel lieber Fußballer oder Rockstar geworden. Für beides reichte sein Talent nicht, also klaute er sich seinen Lebensunterhalt zusammen, bis sein Freund José zum Wandel mahnte:  „Schluss jetzt mit der Scheiße! Ab heute bist du kein Dieb mehr, sondern Schuhputzer!“.

Nicht konsumieren, sondern mitmachen lautet die Devise in Norberto Prestas und Frizz Lechners Momentaufnahmen aus dem Leben eines Schuhputzers: Die Kunden Niklas, Hanna und Stefanie geben sich die Klinke in die Hand, musizieren zum schaurigen Gesang Lechners; Polaroids werden geschossen, durchs Publikum gereicht und kommentiert. Die Verunsicherung ist Kalkül, entsteht doch so der ungewohnte Einblick in die Lebensrealität eines Außenseiters – unprätentiös und überaus witzig!

Suz N.N.